Wirtschaft

Sondervermögen des Bundes: Wirtschaftsbooster oder Gefahr für Generationen?

Wenn der Bundeshaushalt nicht mehr reicht und politische Vorhaben trotzdem umgesetzt werden sollen, greift die Regierung gern zur Geheimwaffe der Finanzpolitik – dem Sondervermögen. Die Verabschiedung sorgte für Streit zwischen Regierung und Opposition, Ökonomen und Verfassungsrechtlern sowie Steuerzahlern und Zukunftsforschern.

Was also steckt hinter diesem etwas sperrigen Begriff? Und warum ist es plötzlich überall präsent? Die Reise durch die Sonderwelt der öffentlichen Kassen beginnt mit einer Begriffsklärung, die überraschend viel über moderne Finanzpolitik verrät.

Das Sondervermögen – was sich hinter dem Begriff eigentlich verbirgt

Ein Sondervermögen ist im Grunde ein eigenes staatliches Portemonnaie, das abseits des normalen Haushalts geführt wird. Es ist zweckgebunden, also nicht beliebig einsetzbar, sondern ausschließlich für ein bestimmtes Ziel vorgesehen. Dabei bleibt es rechtlich Teil des Bundesvermögens, wirtschaftlich wird es aber eigenständig verwaltet.

Im Gesetz ist das Ganze sauber geregelt, etwa im Grundgesetz und der Bundeshaushaltsordnung. Trotzdem wirkt der Begriff für viele so abstrakt, dass man sich fragt, ob da nicht einfach jemand kreativ buchhält.

Das passiert durchaus, denn der Vorteil eines Sondervermögens liegt auf der Hand. Es ermöglicht es der Politik, zusätzliche Mittel bereitzustellen, ohne dass sie im normalen Haushalt auftauchen. Der Staat kann also neue Schulden aufnehmen, obwohl die Schuldenbremse eigentlich etwas anderes vorsieht.

Die Trennung zum regulären Bundeshaushalt ist dabei nicht nur formal, sondern auch funktional. Ein Sondervermögen hat oft eine eigene Buchführung, eigene Gremien und mitunter sogar eine eigene gesetzliche Grundlage.

Es ist sozusagen ein finanzieller Nebenarm, der gezielt wachsen darf, wo der Hauptkörper an seine Grenzen stößt. So geschehen bei der Bundeswehr, beim Corona-Hilfsfonds oder dem Klima- und Transformationsfonds. Politisch ist das klug, rechtlich umstritten und kommunikativ erklärungsbedürftig.

Digitalisierung auf Staatskosten oder geht es auch anders?

Digitalisierung auf Staatskosten oder geht es auch anders?

Ein häufiges Argument für staatliche Sondervermögen ist der Verweis auf die schleppende Digitalisierung. Doch ist das immer gerechtfertigt? Nicht unbedingt. Es gibt Märkte, die sich auch ohne staatliche Impulse rasant entwickeln. Ein Beispiel ist die Glücksspielbranche, denn Casino Spiele sind längst digitalisiert, ganz ohne Fördergeld, weil der Anreiz hoch genug war. Der Markt hat funktioniert und der Staat musste nicht eingreifen.

Diese Erfahrung zeigt, dass dort, wo private Investitionen lohnen, Digitalisierung von selbst entsteht. Sondervermögen sind also vor allem dort sinnvoll, wo Marktversagen vorliegt, etwa bei ländlichen Regionen, wo der Breitbandausbau teuer, aber wenig profitabel ist.

Wenn jedoch überall staatliches Geld ausgeschüttet wird, auch dort, wo der Markt schon läuft, entsteht eine Schieflage. Dann verzerrt der Staat den Wettbewerb und bremst womöglich sogar Innovationen. Sondervermögen sind kein Allheilmittel, sie müssen zielgerichtet eingesetzt werden.

Warum der Staat zur Extrakasse greift und was er damit alles vorhat

Sondervermögen tauchen nicht zufällig auf, sie sind immer Ausdruck von Problemdruck. Pandemie, Energiekrise, Krieg in Europa und schleppende Digitalisierung begründen den Handlungsbedarf und die Spielräume im regulären Haushalt sind begrenzt, also schafft man zusätzliche Töpfe.

Ein prominentes Beispiel ist das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr. Ausgestattet mit ordentlich Kredit und Verfassungsrang soll es den Zustand der deutschen Streitkräfte in Rekordzeit modernisieren. Noch ambitionierter sind die Pläne für die Digitalisierung.

Der Verband Bitkom schlägt einen „Digitalpakt Deutschland“ vor, ebenfalls gestützt auf ein Sondervermögen. Es geht um schnelles Internet, digitale Verwaltung, smarte Infrastrukturen, kurz gesagt, alles, was Deutschland technologisch ins Hier und Jetzt holen soll.

Dazu kommt der Klima- und Transformationsfonds, ausgestattet mit Fördergeldern für grünen Wasserstoff, Wärmepumpen oder klimaneutrale Industrieprozesse. Alles zusammen ergibt ein massives Finanzpaket, das auf vielen Feldern gleichzeitig wirken soll. Wenn schon Schulden, dann für etwas, das sich volkswirtschaftlich rechnet.

Cleverer Haushaltstrick oder Umgehung der Schuldenbremse

Cleverer Haushaltstrick oder Umgehung der Schuldenbremse

Die Schuldenbremse ist das finanzpolitische Rückgrat der Bundesrepublik. Sie schreibt vor, dass der Bund strukturell nur minimal neue Schulden aufnehmen darf. Ausnahmen gelten nur in echten Krisen, etwa bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notlagen. Die Corona-Pandemie war so ein Fall und auch der Angriff auf die Ukraine wurde in der Haushaltslogik als Notlage eingestuft.

Doch was passiert, wenn aus Ausnahme die Regel wird? Genau das kritisieren viele. Sondervermögen würden zunehmend eingesetzt, um die Schuldenbremse zu umgehen. Der Zweck sei zu dehnbar, die parlamentarische Kontrolle zu schwach.

Als das Bundesverfassungsgericht 2023 entschied, dass Gelder aus früheren Notlagen nicht einfach für neue Zwecke umgewidmet werden dürfen, war das ein deutlicher Dämpfer für die Haushaltskreativität der Regierung.

In der Politik wird diese Debatte hart geführt. Die Opposition spricht von Trickkiste und Etikettenschwindel, die Regierung von notwendigem Spielraum. Finanzminister Christian Lindner steht dabei besonders im Fokus. Einerseits betont er die Bedeutung solider Finanzen, andererseits verwaltet er mit dem Sondervermögen selbst ein paralleles System zur klassischen Haushaltspolitik.

Wer jetzt investiert, macht Schulden und wer zahlt später die Rechnung

Natürlich fällt Geld aus Sondervermögen nicht vom Himmel. Es wird über Kredite finanziert, die in die Staatsverschuldung einfließen. Allein das Sondervermögen für die Bundeswehr erhöht den Schuldenstand um 100 Milliarden Euro. Weitere Programme könnten die Quote noch deutlich anheben. Schätzungen sprechen von zehn Prozentpunkten zusätzlich.

Das Argument der Kritiker ist simpel. Heute wird Geld ausgegeben, das morgen zurückgezahlt werden muss, und zwar mit Zinsen. In Zeiten steigender Kapitalmarktzinsen keine Kleinigkeit. Wer also in die Zukunft investieren will, muss auch bereit sein, die Zukunft zu belasten.

Die Frage nach der Generationengerechtigkeit drängt sich auf. Ist es verantwortungsvoll, heute Schulden zu machen, wenn unklar ist, ob die Investitionen wirklich der Wirtschaft Wachstum bringen oder ist es verantwortungslos, nicht zu investieren und Deutschland weiter auf Verschleiß zu fahren?

Befürworter argumentieren, dass Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Digitalisierung langfristig mehr bringen als sie kosten. Kritiker sehen in der wachsenden Verschuldung vor allem ein Risiko für die Stabilität künftiger Haushalte. Die Rechnung wird irgendwann kommen, nur wer sie bezahlt, ist noch offen.

Transparenz, Kontrolle und Vertrauen – wie gut das Sondervermögen verwaltet wird

Eines der größten Probleme bei Sondervermögen ist ihre Intransparenz. Zwar wird jedes einzelne parlamentarisch beschlossen und der Bundesrechnungshof schaut ebenfalls regelmäßig hin. Doch der Überblick fehlt. Viele Mittel fließen spät, einige gar nicht. Förderprogramme werden schlecht kommuniziert oder von der Verwaltung zu zögerlich umgesetzt.

Zudem gibt es nur wenige öffentlich zugängliche Informationen darüber, wer wie viel bekommt und was genau mit dem Geld passiert. Die technische Komplexität dieser Konstruktionen macht es schwer, eine klare politische Debatte zu führen. Wer Sondervermögen einsetzt, muss deshalb besonders sorgfältig dokumentieren und kommunizieren. Sonst entsteht der Eindruck, hier werde mit Milliarden hantiert, ohne dass jemand genau hinschaut.

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